Qualität ist wichtiger als Quantität
Die Aussage, es käme gar nicht so sehr auf die Dauer der gemeinsamen Zeit als vielmehr auf deren Intensität oder deren Inhalt an, kann verschiedentlich motiviert sein.
Möglicherweise erfolgt eine solche Aussage aus Unkenntnis. Es ist schwer vorstellbar, dass ein in der Kindererziehung und Betreuung beschlagener Elternteil zwischen Qualität und Quantität trennt. Jeder Vater und jede Mutter weiß vielmehr, dass es häufig die kleinen Dinge sind, die sich aus unvorhergesehenen Situationen oder täglichen Ritualen ergeben, die eine Beziehung zwischen Eltern und Kindern wachsen lassen. Zu einer gewachsenen Beziehung gehört eine gemeinsame Sprache und das sich immer wieder aufeinander Einstellen; dies benötigt Zeit.
Der Entwicklungspsychologe Remo H. Largo spricht daher davon, dass die Qualität einer Bindung eine "reine Zeitsache" sei. Sehr gut ist die Fehlannahme eines Gegensatzes zwischen Qualität und Quantität auch in einem Beitrag des Psychologen (und Vaters) Björn Süfke beschrieben.
Denkbar ist auch, dass man bestimmten Eltern oder einem Geschlecht in der Regel Nachholbedarf bei der Kindererziehung und Betreuung unterstellt. In diesem Fall steckt hinter „Qualität ist wichtiger als Quantität“ die Aussage: Kümmere Dich erst einmal darum, dass Du Deine Kinder vernünftig betreust, bevor Du mehr Zeit mit ihnen verbringen möchtest. Hier kann die Brücke zu dem Vorwurf, dass man mit einer gemeinsamen Betreuung Geld sparen wolle, geschlagen werden. Es schwingt die Unterstellung mit, dass ein Elternteil in Wahrheit gar keine Zeit mit den Kindern verbringen möchte; sie möglicherweise lediglich vor den Fernseher oder die Spielekonsole setzt.
In diesem Fall scheint das Bestreben eines Elternteils, einen hohen Betreuungsanteil zu übernehmen, widersprüchlich. Um diesen Widerspruch aufzulösen, kommt der Vorwurf bzw. das Motiv Geldersparnis ins Spiel. Bezeichnenderweise tauchen die Aussagen „Qualität statt Quantität“ und „Geldersparnis“ häufig zusammen auf.
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